Überfischung trotz wissenschaftlicher Fangquoten-Empfehlungen

Überfischung trotz Fangquoten
Europäische Gewässer werden trotz Fangquoten überfischt. (Bild: © Mayke Walhorn)

Regelmäßig werden von den EU-Fischereiministern in Brüssel neue Fangquoten beschlossen. Die Politiker stützen sich in ihren Entscheidungen auf Daten, die Meereswissenschaftler in den verschiedenen Ländern Europas gesammelt haben: Die Forscher haben Informationen zusammen getragen, wie es den Fischbeständen in unseren Gewässern geht. Warum kommt es trotzdem immer wieder zur Überfischung? Sind die Daten der Wissenschaftler falsch? Wie werden sie erhoben?

Ein Blick in die Erstellung der Basisdaten für die Fangquoten…

Stellen Sie sich vor, Sie sind auf einem Forschungsschiff im Nordatlantik: Es ist Sturm, die Gischt spritzt bis an Bord. Es ist sechs Uhr morgens. Für die Fischereibiologen des Johann Heinrich von Thünen-Instituts für Seefischerei in Bremerhaven beginnt oft schon früher der Tag, wenn sie für mehrere Wochen auf dem Meer unterwegs sind, um die wissenschaftlichen Daten für die Fischfangquoten zu sammeln.

Zu welcher Tages- oder Nachtzeit auch immer: Kaum meldet das Echolot einen Fischschwarm, werfen sich die Wissenschaftler in ihr Ölzeug… Dann muss es schnell gehen, bevor die Fische wieder davon geschwommen sind. Die Forscher eilen aus den Kajüten, die engen Treppen des Schiffes hinunter, und schon sind sie auf dem Unterdeck angekommen.

Sobald die Wissenschaftler die sich dort befindende große Winde erreicht haben, ziehen sie das Schleppnetz an Bord, dass sie ausgeworfen haben. Mit Probefischungen wollen sie mehr über den Zustand der Fischbestände erfahren.

Stichproben zur Verhinderung der Überfischung

Zwei bis sechs Fänge pro Tag werden an Bord ausgewertet: Die Fische werden im Schiffs-Labor gezählt, in ihrer Art bestimmt, vermessen und gewogen. Welche Arten halten sich in den unterschiedlichen Regionen des Meeres auf? Wie groß und wie gesund sind die Tiere? Wie viele Jungtier befinden sich im Schwar -und wie groß ist er überhaupt? Es gibt einige Fragen, denen die Meeresbiologen an Bord nachgehen.

Alle Daten werden protokolliert und ein großer Teil der Fische danach wieder ins Meer gegeben. Nicht alle überleben die Probefischung, aber zumindest werden sie dann zum Futter für andere Meerestiere. Auch die zahlreichen Möwen, die das Forschungsschiff auf seiner Fahrt begleiten, stürzen sich auf die Beute. Ein Teil des Fangs wird von den Forschern allerdings auch mit in das Labor an Land genommen. Dort steht die genaue Altersbestimmung der Tiere aus.

Wie alt werden die Fische – wie steht es um ihren Nachwuchs?

Verlassen wir das Forschungsschiff und begeben uns in ein Fisch-Labor an Land. Hier entnehmen die Forscher den Tieren die sogenannten Otholiten: Gehörsteinchen, die sich im Inneren des Fischschädels hinter den Augen befinden. Sie dienen den Fischen dazu, ihr Gleichgewicht zu halten.

Die Baumringe der Fische

Das Tolle an diesen Gehörsteinchen ist: In ihrem Innern lassen sich Linien entdecken, die das genaue Alter des Tieres verraten. Wie bei den Jahresringen von Bäumen ist damit die Altersbestimmung der Fische nicht mehr auf eine Abschätzung je nach Größe der Tiere angewiesen, sondern genau nachweisbar. Damit lässt sich auch feststellen, ob die Tiere ihrem Alter gemäß gewachsen sind oder ihre Größe sich im Vergleich zum Vorjahr verändert hat.

Fische im Labor
Bild © Mayke Walhorn

Die Otholithen sind meist nur wenige Millimeter groß. Um die Ringe auf ihnen erkennen zu können, schneiden die Forscher mit einer kleinen Kreissäge eine hauchdünne Scheibe heraus, die sie unter das Mikroskop legen: die Jahresringe der Fische werden sichtbar!

Großer Forschungs-Aufwand gegen die Überfischung

Für die Erkenntnisse über den Zustand der Fischbestände in europäischen Gewässern lohnt sich die Arbeit. Durch die wochenlangen Untersuchungen auf See und in den Laboren können die Wissenschaftler Jahr für Jahr aussagekräftige Daten über die aktuelle Lage sammeln: Über das Wachstum der Tiere, ihre Gesundheit, die Nachwuchszahlen und die Größe der Bestände. Aus all diesen Informationen errechnet der Internationale Rat für Meeresforschung in Kopenhagen dann die Fangquotenempfehlungen, an denen sich die EU-Kommission bei ihrer Entscheidung orientieren soll.

Aber warum kommt es trotzdem immer wieder zur Überfischung?

Ob und inwiefern die Fischereiminister die aufwändig erstellten wissenschaftlichen Ratschläge tatsächlich beherzigen, ist Jahr für Jahr eine andere Frage, sagen die Wissenschaftler. Neben den wissenschaftlichen Erkenntnissen spielen auch wirtschaftliche Erwägungen immer wieder eine Rolle. Darum fallen auch die Quoten häufig höher aus, als von den Forschern empfohlen. Das führt nicht selten auch zur Überfischung.

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